Meridiane und Breitenkreise - ein kulturgeschichtlicher Überblick
Die geographische Länge und Breite geben (zusammen mit der Höhe über NN) die Lage eines Punktes auf der Erdoberfläche an. Ein wichtiges Hilfsmittel sind dabei Meridiane und Breitenkreise. In ihrer Benutzung spiegelt sich die Erkenntnis wieder, die wir von der Beschaffenheit der Erde gewonnen haben. Ihre Einführung ist daher auch kulturgeschichtlich interessant.
Wir heutigen Erdbewohner wissen, daß unsere Erde ein fast kugelförmiger Körper ist, der um eine durch Nord-und Südpol verlaufende Achse rotiert und auf einer fast kreisförmigen, elliptischen Bahn um die Sonne läuft. Die Umdrehungsdauer um die eigene Achse legt den Tag, die Umlaufsdauer um die Sonne das Jahr fest – zwei Zeitabschnitte, die unseren Lebensablauf maßgeblich bestimmen.
Es hat lange gedauert, bis dieses Wissen Allgemeingut der Menschheit geworden ist. Im frühen Altertum gab es neben einigen phantastischen Vorstellungen auch die durch die oberflächliche Anschauung nahegelegte Annahme, daß die Erde eine Scheibe ist, die auf einem unendlichen Ozean schwimmt. Es waren erstmals griechische Mathematiker und Naturforscher, die aufgrund scharfsinniger Beobachtungen und Überlegungen das heutige Weltbild begründeten. Dem griechischen Gelehrten Eratosthenes in Alexandria gelang es im 3.Jahrhundert v.Chr. als erstem den Erdumfang recht genau in den damals gebräuchlichen Längeneinheiten zu berechnen. Umgekehrt wurde im 18. Jahrhundert n.Chr. unsere heutige fundamentale Längeneinheit, das Meter, als der 40-millionste Teil des Erdumfangs festgelegt.
Mit dem Ende des römischen Reichs und in den Wirren der Völkerwanderung blieb in Europa das Wissen um die Kugelgestalt der Erde, welches nie ganz populär geworden war, einigen hochgebildeten Persönlichkeiten erhalten. Gegen Ende des Mittelalters konnte es sich – teils aufgrund arabischer Literatur, in welcher die astronomischen und geographischen Anschauungen der antiken griechischen Gelehrten erhalten geblieben waren – zunehmend in breiteren Schichten der Bevölkerung Europas durchsetzen.
Zur Durchsetzung trugen die aufgrund dieser Erkenntnisse durchgeführten Entdeckungsreisen von Columbus und Magellan bei, die natürlich vor allem wirtschaftliche Gründe hatten. Columbus glaubte, auf dem Westkurs über den Atlantik Asien mit seinen wertvollen Handelsgütern auf einem kürzeren Seeweg zu erreichen, als durch die langwierige Umrundung Afrikas.
Stattdessen entdeckte er 1492 unwissentlich den amerikanischen Kontinent, der ebenfalls mit immensen Reichtümern ausgestattet war. Ihre Ausbeutung führte zum Aufschwung der damals Seefahrt betreibenden Nationen Europas und beeinflußte den alten Kontinent nachhaltig. Erst 1519 bis 1522 gelang es Magellan durch seine Weltumseglung an Südamerika vorbei den endgültigen Beweis für die Kugelgestalt der Erde zu erbringen.
Die neuen Seewege, die über weite Strecken des offenen Meeres führten, machten eine Orientierung ausschließlich mit Hilfe der Gestirne erforderlich, zwischen deren Winkelpositionen am Himmel und dem jeweiligen Schiffsort geometrische Beziehungen bestehen. Dazu mußte zur Angabe des Schiffsortes ein die Erdoberfläche überspannendes Koordinatensystem geschaffen werden, das dann auch zur Ortsbestimmung auf dem Festland verwendet wurde – das uns geläufige Gradnetz.
Es besteht aus einem System von Längen- und Breitenkreisen. Während die Längenkreise durch die Pole der Erdachse verlaufen und gleichen Durchmesser haben, sind die Breitenkreise Parallelkreise zum Äquator, der die Erdkugel senkrecht zur Erdachse halbiert, und werden zu den Polen hin immer kleiner. Die Längenkreise werden durch die Pole in Halbkreise geteilt, in sogenannte Meridiane, zu deutsch Mittagslinien. Der Name Mittagslinie kommt daher, weil aufgrund der Erddrehung die Sonne ihren mittäglichen Höchststand in der Meridianebene erreicht. Dies geschieht für alle Orte am gleichen Meridian gleichzeitig.
Unter der geographischen Länge eines Ortes versteht man den Winkel zwischen den Halbkreisebenen des Ortsmeridians und eines Bezugsmeridians (0°- Meridian). Als Nullmeridian dient aufgrund internationaler Vereinbarungen seit 1884 der Ortsmeridian durch die Sternwarte von Greenwich bei London. Die geographische Breite eines Ortes ist der Winkelabstand seines Breitenkreises vom Äquator, gemessen in der Meridianebene vom Erdmittelpunkt aus. Auf Globen und Landkarten sind im allgemeinen nur Meridiane und Breitenkreise für ganzzahlige Winkel eingezeichnet. An einem derartigen Meridian, nämlich dem 13. östl. Länge liegt Deggendorf – Mietraching, während der nächste ganzzahlige Breitenkreis, der 49. nördl. Br., etwas nördlich von Regen verläuft. (Die Zählung der Längengrade erfolgt bis 180° jeweils in östl. und in westl. Richtung vom Nullmeridian aus. Die Breitengrade werden vom Äquator aus jeweils um 90° in nördl. und südl. Richtung gezählt.).
Infolge der Erddrehung geht an einem östlichen Ort die Sonne eher auf als an einem weiter westlichen. Da die Sonnenscheindauer den Tagsablauf bestimmt, besaß jeder Ort seine eigene Zeit. 12 Uhr mittag war es, wenn die Sonne im Süden den höchsten Stand erreicht hatte. Mit dem Aufkommen schneller Verkehrsmittel, die in wenige Stunden große Entfernungen überwinden, ließen sich diese individuellen Ortszeiten nicht mehr aufrechterhalten, denn z.B. die Eisenbahn brauchte für die Aufstellung ihrer Fahrpläne eine einheitliche Zeit. Nach der Ablösung von Sonnenuhren durch mechanische Uhren mit gleichmäßigem Gang wurde außerdem die sogenannte wahre Sonnenzeit, welche jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist, von der mittleren Sonnenzeit abgelöst.
Man hat sich daher geeinigt, Zeitzonen mit einheitlicher mittlerer Sonnenzeit zu schaffen, die zu den Nachbarzonen um jeweils eine Stunde differiert. Bei einer Tageslänge von 24 Stunden sind das 24 Zeitzonen, welche – geometrisch idealisiert – die Form von Kugelsektorflächen haben, die sich in Ost-West-Richtung über 15° erstrecken und jeweils einen Zentralmeridian haben. Die westeuropäische Zeitzone, gleichzeitig Weltzeitzone, hat als Zentralmeridian den Nullmeridian von Greenwich, unsere mitteleuropäische Zeitzone den 15°- Meridian östl. L., der durch die Stadt Görlitz in Sachsen geht. Allerdings zeigen die Zeitzonen den Idealverlauf nur auf den Ozeanen und in dünn besiedelten Gebieten und weisen aufgrund praktischer und politischer Entscheidungen beträchtliche „Ausbeulungen“ auf. So gehört z.B. Frankreich zur mitteleuropäischen Zeitzone, obwohl es näher am Meridian von Greenwich als am Meridian von Görlitz liegt.
Was bedeutet nun die Lage am 13. Meridian östl. Länge für uns hier in Mietraching? Da 15° Längendifferenz einer Zeitdifferenz von 60 Minuten entspricht, so entsprechen einer Längendifferenz von 1° genau 4 Minuten. Wenn also die Sonne am Zentralmeridian in Görlitz ( 15° östl.L. ) ihren täglichen Höchststand erreicht, dauert es noch 8 Minuten, bis sie hier in Mietraching am höchsten steht. Sie finden den Meridian-Stein neben dem Gasthaus Tannerbauer, Ruselbergstr. 48.
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